Mehrkanal-Audio-Video-Installation mit Publikumsinteraktion zur Thematik
des Darknets.

Das Darknet ist medial ein Synonym des Bösen und Abartigen, doch in Zeiten von wahlentscheidenden Socialbots, Whistleblowing, Snowden, der NSA und Zensur in autoritären Staaten darf man den verschlüsselten freien Zugang zum Internet nicht stigmatisieren. Riek und Schmitt kontextualisieren und kontrastieren in dieser Arbeit diese vielen Seiten der virtuellen Grauzone. Die TeilnehmerInnen der Installation erlaufen und erhören einen abgedunkelten Raum, welcher von einem sechs-kanaligen Audiosystem und Projektionsflächen bespielt wird. Über eine für die Installation entwickelte Webseite gelangen die User zu einer Auswahl verklanglichter Textfragmente. Die sog. Text-to-speech-Stimmen sind für die BesucherInnen spielbar und werden auf der mehrkanaligen Anlage als Einspielungen selektiert. Die Einspielungen werden dann in Klanglandschaften eingebettet, die die Künstler mittels Techniken wie der Hörbarmachung von Bildern und kryptographisch bearbeiteten Texten aus dem Darknet generiert haben. Darüber hinaus analysiert und visualisiert die Software in Echtzeit das Entscheidungsverhalten der NutzerInnen und zeigt so deren situativen Neigungen numerisch an. 

Lasse-Marc Riek und Tobias Schmitt erforschen seit einigen Jahren für ihre Arbeit das Darknet. Für gewöhnlich arbeitet das Duo als Waldlust mit Feldaufnahmen des Aufführungsortes: hier arbeiten sie getreu dieser Methode mit gefundenem Material aus der Parallelwelt des Internets. Einerseits begaben sie sich persönlich auf die Suche, andererseits bauten sie dafür Programme, welche autonom Textfragmente aus den „Onion-Seiten“ sammelten.

Das Ausleben von Neigungen und animalischen Bedürfnissen wird durch den (schein-) anonymen und geschützten Raum in allen Ausprägungen und mit wenigen Grenzen gefördert. Allerdings wurde schnell klar, dass sich die Anonymität relativ schnell auflöst, sobald der Transfer in die reale Welt stattfindet, denn Waffen und Drogen müssen beispielsweise an eine Adresse geliefert werden. All das steht allerdings unter der Prämisse des ewigen Spiels, was ist Fake, was ist Realität. 
Letztendlich ist das Darknet dementsprechend ein Ort desVertrauens: Verbrecher machen mit Verbrechern anonyme Geschäfte und hoffen, letztendlich was für ihre Bitcoins zu bekommen. Dem steht allerdings auch ein Idealismus entgegen: Hacker, die sich gegen autoritäre Systeme stellen, barrierefreien Austausch im Netz und z.B. Whistleblower, die in einem geschützten Raum auf Missstände aufmerksam machen können.
In diesen Momenten erscheint das „Dark“ im Darknet wie eine unangemessene
Rhetorik.

NEIGUNGEN wurde 2019 im ZKM | Zentrum für Kunst und Medien, Karlsruhe und 2020 im Neuen Kunstverein in Aschaffenburg gezeigt.

Neuer Kunstverein, Aschaffenburg

Die Installation basiert auf der Produktion „Darknet Poetry“, die auf Deutschlandradio Kultur zu hören war.
https://www.deutschlandfunkkultur.de/klangkomposition-ueber-die-dunkle-seite-des-netzes-darknet.3685.de.html?dram:article_id=417727

Hier findet sich ein Exzerpt einer möglichen Beteiligung durch Teilnehmende in der Installation: 

NEIGUNGEN EXTRAKT (2021,  9:47 Min.)